Die Glücksformel
Wir begegnen uns im Hafen von Porto Cervo auf Sardinien. Der Luxus springt mich förmlich an. Das Zentrum der Hafenstadt wirkt wie eine einzige große Boutique. Jede weltweit bedeutende Marke ist hier vertreten. Im Hafen liegen die Yachten der Milliardäre. Die riesige „Golden Odyssey“ passt nicht einmal in den Hafen. Sie ankert draußen. Beiboote bringen die saudi-arabische Königsfamilie zum Einkaufen.
Und mittendrin sitzt sie. Eine Katze. Sie gehört zu einer Gruppe, die im Schatten eines Baumes, etwas abseits, das Leben genießt. Ich bin eigentlich ein Hundemensch, Katzen faszinieren mich selten. Doch diese hier ist besonders. Schön, würdevoll, gelassen.
Wie ein Reporter vor einem König liege ich ihr fast zu Füßen. Dank des Teleobjektivs bemerkt sie mein Interesse nicht. Drei Fotos – alle gelungen. Ich richte mich wieder auf und frage mich: Würde sie ihren Platz auf der Straße gegen einen Platz auf einer dieser Yachten eintauschen? Aber ich glaube selbst im Luxus würde sie ihre innere Freiheit und Würde behalten. Sie braucht keine Diamantenhalskette und kein Spezialfutter, um schön zu sein. Kein Geld, um Freude zu spüren. Die Reste der Reichen reichen ihr. Ihr Leben ist in Ordnung.
Ich muss an eine meiner Lieblingsanekdoten denken: Ein Gast wird im Kloster vom Mönch in einer braunen Kute empfangen. Dieser bringt ihn in ein schlichtes Zimmer. Beim Abschied sagt er: „Wenn Sie etwas brauchen, scheuen Sie sich nicht zu läuten – ich zeige Ihnen gerne, wie Sie ohne auskommen.“
Das Bild der Katze bleibt in mir. Ich bin verliebt in ihre Unabhängigkeit, ihre Würde. Auch wir brauchen mehr Freude an dem, was wir sind, als an dem, was wir besitzen. Mehr Sein als Haben. Auch als Streuner, Außenseiter oder Schwache sind wir schön und würdevoll.
Wir jagen oft Erfolg, Reichtum, Anerkennung – in der Hoffnung, dass sie uns Glück bringen. Dabei leben wir längst im Überfluss. Allein Schmerzmittel, sauberes Trinkwasser, medizinische Versorgung, vitaminreiche Frischkost zu allen Jahreszeiten, schnelles Reisen, Videotelefonie, Zugriff auf das Wissen der Welt – das ist alles keine Selbstverständlichkeit. Karl der Große wäre vor Neid erblasst.
Albert Schweitzer sagte einmal: „Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind. Aber noch mehr wissen nicht, dass sie glücklich sind.“ Vielleicht sollten wir uns täglich bewusst machen, wie gut es uns wirklich geht.
Ich habe viel über Glück nachgedacht. Aus meiner Sicht basiert es auf drei Säulen: Gesundheit, Beziehungen, Besitz. In allen drei Bereichen können und sollten wir wachsen. Aber Glück entsteht nicht durch die Summe dieser drei, sondern durch unser Verhältnis zu ihnen. Ich formuliere es so:
Glück = (Gesundheit × Beziehungen × Besitz) ÷ (Erwartungen an Gesundheit, Beziehungen und Besitz)
Viele verfehlen ihr Glück nicht, weil sie zu wenig haben – sondern weil sie zu viel erwarten. Besonders der Blick in soziale Medien, dieser ständige Vergleich nach oben, ist ein echter Glückskiller. Wir sehen dort das Beste vom Besten – und übersehen, wie gut unser eigenes Leben ist.
Wir müssen nicht die beste Gesundheit, perfekte Beziehungen oder großen Reichtum haben. Wir brauchen nur Dankbarkeit für das, was da ist.
Ich setze mir zwar hohe Ziele und arbeite hart – aber ich lerne, auch unvollkommene Ergebnisse zu genießen. Ich suche bewusst kleine Dinge, die mir Freude machen. Und ich lerne, auch mit dem Mangel Frieden zu schließen. Denn das tut meiner Seele gut.
Bernhard von Clairvaux brachte es vor fast 1.000 Jahren auf den Punkt:
„Dem Weisen schmeckt alles so, wie es ist.“